Montag, 7. Juli 2014

10% Schwarzseher im Jahr 2012?

Mit Schreiben vom 3.7.2014 hatte mir die Vorsitzende des Petitionsausschusses des Landtags Brandenburgs, Bettina Fortunato (Die Linke), einige Fragen gestellt.

Hier meine Antwort:

Bettina Fortunato MdL
DIE LINKE. Fraktion im Landtag Brandenburg
Alter Markt 1
14467 Potsdam

XXX, 7.7.2014

Ihr Schreiben vom 3.7.2014 als Antwort auf meinen offenen Brief zum Thema Rundfunkgebühren

Sehr geehrte Frau Fortuanto,

vielen Dank für Ihr Schreiben, das hat uns sehr gefreut, so schnell und ausführlich von Ihnen zu hören.

Bevor ich auf Ihre Fragen eingehe, vorab einige kurze Anmerkungen zu Ihrem Schreiben:

10 % Schwarzseher im Jahre 2012?

In Ihrem Schreiben sprechen Sie von der hohen Zahl von 10% Schwarzsehern, also von Menschen, die das Rundfunkangebot angeblich genutzt haben, ohne hierfür zu bezahlen. Haben Sie eine Quelle für diese Zahl?

Laut GEZ-Geschäftsbericht aus dem Jahre 2012 [1] lag die Zahl der rundfunkgebührenpflichtig gemeldeten Haushalte bis zur Einführung der neuen Regelung bei gut 96 %. Was heißt, es waren konkret nur knapp 4 % der Haushalte nicht gemeldet. Schaut man sich gleichzeitig an, dass laut Statistischem Bundesamt 5 % der Haushalte im Jahr 2013 in Deutschland [2] über keinen Fernseher verfügten, dürfte meines Erachtens die Anzahl der tatsächlichen Schwarzseher deutlich geringer gewesen sein und möglicherweise sogar im Promille-Bereich gelegen haben. Wie sehen Sie das?

Überprüfung der Nichtnutzung

Als Hinderungsgrund für Reformen nennen Sie die Schwierigkeit, die Nichtnutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu überprüfen. Unser Vorschlag:

Warum sollte hier der Bürger nicht einfach eine eidesstattliche Versicherung abgeben? Bei Falschangabe würde sich der Bürger strafbar machen.

Mangelnde Akzeptanz der alten Regelung

Als wichtiges Argument für den neuen Rundfunkstaatsvertrag führen Sie die mangelnde Akzeptanz der alten Regelung an. Mit viel medialem Rummel wurde durch ARD und ZDF die Neuregelung gefeiert von „Einfach. Für alle“ ist die Rede und von einer „Demokratieabgabe“.

In der Medienwissenschaft wird dieses Vorgehen als „Framing“ bezeichnet, d.h. eine generell unliebsame Sache wird neu verpackt, die GEZ wurde zum „Beitragsservice“, wobei das positiv konnotierte Wort „Service“ nahelegen soll, es ginge um einen Dienst am Bürger. Faktisch jedoch, für den Bürger, hat sich die Situation weiter verschlechtert.

Denn was ist nun mit denjenigen Bürgern, die überhaupt kein öffentlich-rechtliches Fernsehen wünschen oder dieses gar aus Gewissensgründen ablehnen? So lange es ein Recht auf freie Meinungsäußerung gibt, werden diese Ihren Unwillen genauso kundtun, wie zuvor. Das Framing ist also nicht nur gescheitert, durch die Neuregelung wurde das Problem noch einmal verstärkt, da nun der Kreis derjenigen, die gegen ihren Willen zum Rundfunkteilnehmer geworden sind, vergrößert wurde.

Der Protest wird also weiter zunehmen, sich verstärken und im Lauf der Jahre, da bin ich mir sicher, mit dem Wegfall der Generation 60+, also derjenigen Menschen, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in erster Linie nutzen, zu einer ernsten Krise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks führen, was bei einer fortdauernden Verweigerung von Reformen in eine generelle Abschaffung oder Privatisierung münden wird.

Oder um es auf den Punkt zu bringen: Viele Menschen, die ich kenne, mich eingeschlossen, fühlen sich inzwischen durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geradezu belästigt. Wir möchten keine WM-Hysterie, wir möchten keine Tagesschau, wir möchten das alles nicht. Nein danke!

Und selbst diejenigen in meinem Bekanntenkreis, die einen Fernseher haben, sagen: Es reicht. Und das hat nichts mit mangelnder Solidarität zu tun. Das hat einfach etwas damit zu tun, dass doch wirklich niemand glaubt, ein primär auf Unterhaltung und Manipulation ausgelegtes Medium wie Fernsehen könne ernsthaft dem Ideal objektiver Berichterstattung entsprechen. Glauben Sie das? Doch davon später noch mehr.

Zu unserer persönlichen wirtschaftlichen Situation

Wegen einiger wirtschaftlichen Schwierigkeiten unseres Unternehmens zeichnet sich seit Ende 2012 für uns als Familie mit demnächst vier Kindern ab, dass unser Einkommen die nächsten Jahre unter dem Existenzminimum liegen wird. Entsprechend hatten wir 2012 rechtzeitig einen Antrag auf Kinderzuschlag gestellt. Dieser wurde abgelehnt, da trotz der Zahlung von Kinderzuschlag unser Einkommen unter dem Mindestbedarf liegen würde. Ein Antrag auf ergänzendes Hartz-IV wurde jedoch gleichzeitig u.a. mit der Begründung abgelehnt, dass uns Kinderzuschlag zustünde.

Zynisch meinte eine Mitarbeiterin der Bundesagentur für Arbeit (Kinderzuschlag): „Tja, wenn Sie nur zwei Kinder hätten, würden wir Ihnen den Kinderzuschlag auszahlen, bei drei Kindern kriegen Sie von uns nichts.“

Hierauf haben wir Klage vor dem Sozialgericht XXX erhoben. Dort meinte der Richter, grundsätzlich stünden uns Sozialleistungen zu, das Verfahren sei für uns als Selbständige jedoch sehr kompliziert und zeitaufwendig, ob wir es nicht lieber sein lassen wollten. Seither dümpelt die Klage, trotz mehrmaliger Nachfragen unsererseits, vor dem Sozialgericht vor sich hin.

Seit dem 1.1.2013 sollen wir nun 17,89€ monatlich für unsere Wohnung an Rundfunkgebühren zahlen, sowie 5,00€ für unsere Firma. Und dies obwohl wir seit 2005 auf Fernsehen und seit 2008 auch auf Radio verzichten. Ein Härtefallantrag an den RBB wurde abgelehnt, mit der Begründung, dass nur Bezieher von bestimmten Sozialleistungen, sowie Bürger, deren Einkommen nicht mehr als 17,89€ über dem Mindestbedarf liegt, von den Rundfunkgebühren befreit werden können. Bürger wie wir hingegen, deren Einkommen unter dem Mindestbedarf liegt, könnten nicht von den Rundfunkgebühren befreit werden, da eine individuelle Einkommensprüfung nicht vorgesehen ist.

Natürlich könnten Sie nun einwenden, dass wir irgendwann einmal, in ein paar Jahren, wenn wir den Prozess vor dem Sozialgericht gewonnen haben, die Rundfunkgebühren zurückerhalten. Da unser Einkommen jedoch unter dem Mindestbedarf liegt, sind auch 17,89€ für uns so viel Geld, dass wir das nicht so einfach mal eben dem milliardenschweren öffentlich-rechtlichen Rundfunk auslegen können. Bei aller Liebe, aber das geht nicht.

Religiöse- und Gewissensgründe, die einer Rundfunkteilnahme entgegenstehen

Sie fragten auch nach religiösen- und Gewissensgründen, die einer Rundfunkteilnahme entgegenstehen. Dies will ich ebenfalls kurz erläutern.

Von der Problematik der Infantilisierung der Gesellschaft durch das Fernsehen sprach ich schon [3]. An dieser Stelle möchte ich nun etwas zur Manipulation der öffentlichen Meinung durch das Fernsehen sagen und dies an drei Manipulationsmethoden erläutern. Dem VGT („Vorgetäuschter Tiefgang“) , der Detransitivierung, und dem Framing:

Ein beliebte Methode ist das unter Journalisten zynisch als VGT („Vorgetäuschter Tiefgang“) bezeichnete Verfahren. Geht beispielsweise irgendwo in Nahost eine Bombe hoch, wird sofort ein sogenannter „Terror-Experte“ vor die Kamera geholt, um anschließend dann von einem „Nahost-Experten“ abgelöst zu werden, ohne dass hinterfragt wird, wie denn der sogenannte Experte zu seinem „Experten-Titel“ kommt.

Noch schlimmer geht es in den sogenannten „Talkshows“ her. Wenn es hier zum Beispiel um Gewalt an Schulen geht, dann treffen „Mobbing-Experten“ auf „Körpersprache-Experten“, die dann zusammen mit Semiprominenten meinungsbildend wirken sollen.

Anstelle den Konsumenten der Sendung darüber aufzuklären, was denn dieser „Experte“ wirklich macht, ist er Journalist, Redakteur oder freier Mitarbeiter, wird ihm das Etikett „Experte“ aufgeklebt und er bekommt dadurch den Anschein eines Fachmanns. Ziel und Zweck des „Experten“ ist, dem Konsumenten der Sendung die objektiv-tiefgehende Analyse eines Ereignisses vorzutäuschen und klarzumachen: Um sich hierzu eine eigene Meinung zu bilden, muss man schon Experte sein. Also lässt es der Konsument lieber und bildet sich keine eigene Meinung.

In die Kritik geraten ist dieses Verfahren im letzten Jahr, als der stellvertretende Chefredakteur des ZDF, Elmar Theveßen in einer Sendung als sogenannter „Terror-Experte“ auftrat, während er vorher schon als „Wirtschaftskriminaltäts-Experte“ und als „Experte für organisierte Kriminalität“ fungierte. Seither geht das öffentlich-rechtliche Fernsehen mit diesem Manipulationsmittel etwas sparsamer um. Aber es wird trotzdem, wie ich mir habe sagen lassen, weiterhin verwendet. Achten Sie einmal auf die sogenannte „Bauchbinde“ in den Nachrichtensendungen, eine Einblendung am unteren Bildschirmrand. Hier wird sehr häufig das Wort „Experte“ eingeblendet, wenn ein Sprecher zu einem Thema Stellung bezieht.

Ein weiteres Mittel sind sprachliche Manipulationen wie Detransitivierungen, sprich der sprachliche Verzicht auf zum Beispiel handelnde Subjekte, so dass sich in jeder normalen „Tagesschau“ Formulierungen finden wie:
  • Sozialleistungen „werden gekürzt“,
  • die Angleichung der Löhne „ist nicht darstellbar“,
  • Arbeitsplätze „gehen verloren“.
Alle drei Formulierungen manipulieren durch die Passivität der Aussage, dem Fehlen eines handelnden Subjekts, indem sie dem Konsumenten der Tagesschau suggerieren, die Kürzung von Sozialleistung würde einfach so vom Himmel fallen, ohne dass hinter dem konkreten Beschluss, Sozialleistungen zu kürzen, konkrete Personen stehen.

Oder: „Die Angleichung der Löhne ist nicht darstellbar“. Auch hinter dieser Entscheidung steht nicht die blanke Notwendigkeit, das Schicksal oder sonst eine unfassbare Kraft, sondern ein konkreter Aufsichtsrat eines konkreten Unternehmens, mit konkret verantwortlichen Personen. Nur dass eben die PR-Abteilung des Unternehmens geschickt zu formulieren wusste, so dass die Verantwortlichkeit nicht auf das Unternehmen zurückfällt. Die Redaktion der Tagesschau gibt diese Formulierung dann 1:1 wieder. Ziele der Detransitivierung sind, Verantwortliche zu verbergen, Informationen zu verschleiern und Aussagen unangreifbar zu machen. Denn wenn „Arbeitsplätze verloren gehen“, dann ist das sprachlich gesehen eine Tatsache und man kann nichts dagegen tun. Wenn jedoch der Aufsichtsrat eines großen, börsenorientierten Unternehmens sich dazu entschließt, zukünftig die Produktionsstätten nach China zu verlegen, damit den Aktionären eine größere Rendite ausgezahlt werden kann, dann kann man hiergegen sehr wohl etwas unternehmen und es finden sich auch Verantwortliche. Schauen Sie sich einmal die Tagesschau an und achten Sie auf dieses sprachliche Manipulationsmittel. Es ist ausgesprochen häufig, auch in den Printmedien.

Zum Framing vielleicht ein Beispiel aus der Fernsehgeschichte: Vor der Wiedervereinigung sprach man in der ARD und dem ZDF immer von den „Warschauer-Pakt-Staaten“. Das Wort Pakt hat und hatte immer eine sehr negative Bedeutung. Man wollte damit zum Ausdruck bringen, dass die Staaten des Warschauer Vertrages wie Verbrecher einer Verbrecherbande miteinander paktieren. Keinesfalls sollte jedoch zum Ausdruck kommen, dass auch auf der anderen Seite der Mauer, auf die die amerikanischen Pershing Raketen ja gerichtet waren (und immer noch gerichtet sind), Menschen leben. Dies als Beispiel für negatives „Framing“: Das feindliche Militärbündnis wurde durch ARD und ZDF kriminalisiert, indem ein negativer „Wortrahmen“ um die Länder des Warschauer Vertrages gelegt wurde. Dies hat jedoch nichts mit objektiver oder sachlicher Darstellung zu tun.

Diese Auflistung ließe sich seitenfüllend weiter fortsetzen. Letztendlich bleibt, eine Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist für mich als Christ aus Gewissensgründen nicht möglich. Ich finanziere solche Methoden nicht mit. Punkt.

Fazit

Sehr geehrte Frau Fortunato,

ich hoffe, Sie verstehen aus diesem Zusammenhang heraus, weswegen für mich eine Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht infrage kommt. Objektive Berichterstattung ist ein journalistisches Ideal, von dessen Verwirklichung der öffentlich-rechtliche Rundfunk weit entfernt ist. Ich werde daher weiter für echte Presse- und Informationsfreiheit in Deutschland kämpfen und mich für eine nachhaltige Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einsetzen, mich aber insbesondere dafür engagieren, dass die Nichtteilnahme am Rundfunk wieder möglich gemacht wird, denn Nichtteilnahme am Rundfunk ist das erste und wichtigste Mittel des Bürgers, an der Art der Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Kritik zu üben.

Mit freundlichen Grüßen
XXX

[1] ARD, ZDF, Deutschlandradio, Beitragsservice: „GEZ. Geschäftsbericht 2012“, Köln 2013.
[2]https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/EinkommenKonsumLebensbedingungen/AusstattungGebrauchsguetern/Tabellen/Unterhaltungselektronik_FBG.html
[3] So in meinem Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid des RBB bezüglich meiner Härtefallanträge. Zu finden in meinem Blog unter: http://presse-und-informationsfreiheit.blogspot.de/2013/10/widerspruch-gegen-den.html

1 Kommentar:

  1. Es gibt ja noch, dem Netz sei Dank
    Proteste zum Gebührenzwang ...
    www.facebook.com/events/685739878180931

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