Mittwoch, 6. August 2014

Meinungsbildung und Rundfunkbeitrag: Der Polizist ohne Waffe

Weswegen die Möglichkeit, keine Rundfunkbeiträge zu zahlen, für die freie Meinungsbildung in der Demokratie unerlässlich ist


Wer einmal eine Erstsemesterveranstaltung im Fachbereich Medienwissenschaften besucht hat, weiß, es gibt keinen objektiven Journalismus. Jegliche Form journalistischer Berichterstattung ist immer Ausdruck eines subjektiven Standpunkts. Das zeigt sich schon allein bei der Themenauswahl. Zum Beispiel bei der Tagesschau. Wenn dort über den Nahost-Konflikt, die Krise in der Ukraine und über die anstehenden Landtagswahlen in Thüringen berichtet wird, aber nicht über das geplante Freihandelsabkommen TTIP, dann liegt dieser Auswahl eine subjektive Einschätzung der Tageschau- Redaktion zugrunde, die festgelegt hat, welche Themen wichtig sind und welche nicht.

Oder nehmen wir die Berichterstattung selbst. Wenn wir in der Tagesschau eine Meldung zum Nahostkonflikt hören und dazu wird uns dann eine Szene wütender palästinensischer Männer mit Maschinengewehren in der Hand gezeigt, dann macht dieser Bericht einen anderen Eindruck auf den Zuschauer, als wenn wir stattdessen das Bild eines schwerverwundeten palästinensischen Kindes zu sehen bekommen . Auch hier war die subjektive Einschätzung eines Redakteurs ausschlaggebend dafür, welche Szene gezeigt wurde und welche nicht.

In beiden Fällen wird deutlich, dass eine objektive Berichterstattung nicht nur sehr schwierig ist, sondern praktisch unmöglich ist. Denn die Redaktion eines Senders oder einer Zeitung muss ja eine Auswahl treffen, sie kann nicht wahllos alles in den Nachrichten bringen, sondern sie muss schauen, was interessiert unsere Zuschauer, was hindert den Zuschauer daran, einfach umzuschalten und was halten wir in der Redaktion für so relevant, dass wir es in der Tagesschau bringen.

Objektive Berichterstattung ist also ein Ideal, dem der Journalist sich annähern kann, indem er klarmacht, dass er einen subjektiven Standpunkt vertritt und erläutert, was für ihn dafür sprach, diesen Standpunkt einzunehmen. So wird dem Zuschauer deutlich, warum Redaktion und Berichterstatter genau dieses Thema auf genau diese Weise so dargestellt haben und er kann sich eine eigene Meinung bilden.

Die Subjektivität der Berichterstattung allerdings wird durch solch ein journalistisches Vorgehen nicht aufgehoben. Für den Zuschauer besteht nun jedoch die Möglichkeit, diese Form der Berichterstattung einzuordnen und zu objektivieren.

Leider ist die sogenannte „objektive Berichterstattung“, sprich Berichterstattung, die von sich selbst behauptet, objektiv zu sein, also etwas zu sein, was sie gar nicht sein kann, Teil der Eigenwerbung der öffentlich-rechtlichen Sender. Diese werben damit, objektiv und  neutral zu sein. Objektivität und Neutralität sind jedoch, wie die Medienwissenschaften zeigen, in den Medien nicht möglich. Die Behauptung eines Senders oder einer Zeitung, objektiv und neutral zu sein, ist also irreführend, schon allein, da eine Auswahl aus der Masse der tagtäglich auf die Redaktion einströmenden Meldungen nur mithilfe subjektiver Kriterien gemacht werden kann.

Was für Folgen hat die zwangsläufige Subjektivität der Berichterstattung auf den demokratischen Meinungsbildungsprozess und wie lässt sich eine allgemeine Beitragspflicht für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in diesem Zusammenhang bewerten?

Da also jeder Sender, jede Zeitung, jede Internetseite tendenziell immer schon eine Meinung vertritt und somit immer schon tendenziös ist, muss gefragt werden, inwieweit eine allgemeine Beitragspflicht zugunsten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für alle Bürger den demokratischen Meinungsbildungsprozess fördert oder inwieweit sie diesen hemmt.

Die Meinungsfreiheit, sprich die Möglichkeit, seine Meinung frei zu äußern, ist Grundlage des demokratischen Meinungsbildungsprozesses. Dem Bürger muss das Recht zugestanden werden, durchaus eine andere Meinung zu vertreten als dies ein bestimmter Sender oder eine bestimmte Zeitung tut.

Der Bürger muss in diesem Zusammenhang das Recht haben, ein Abonnement der FAZ zu kündigen, wenn ihn das Angebot der taz besser geeignet erscheint, im Rahmen des demokratischen Meinungsbildungsprozesses die öffentliche Meinung zu bilden und umgekehrt.

Den Bürger auf ein Zwangsabonnement zu verpflichten, erscheint in diesem Zusammenhang gefährlich. Zwar heißt es im Falle des Rundfunkbeitrags, man müsse das Angebot der öffentlich-rechtlichen Sender ja nicht nutzen, wenn man es für nicht ausgewogen und geeignet hält, den demokratischen Meinungsbildungsprozess zu fördern. In letzter Instanz jedoch geht es den Bürger beim neuen Rundfunkbeitrag wie dem Polizisten ohne Waffe, der mitanschauen muss, wie ein Dieb die alte Dame niedersticht, aber aus Angst vor dem Messer des Diebes nicht weiter helfen kann, als aus der Ferne zu rufen: „He, Sie da, das geht aber so nicht!“

Denn letztlich geht es dem Bürger mit dem neuen Rundfunkbeitrag wie dem Polizisten ohne Waffe. Er kann zwar theoretisch sein Unbehagen über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf den Facebook-Seiten der ARD und des ZDF zum Ausdruck bringen, seine als kritisch empfundenen Beiträge werden jedoch von der zuständigen Redaktion unverzüglich wieder gelöscht. Er kann bei ARD und ZDF kostenpflichtig anrufen, um seinen Unmut über einseitige Berichterstattung kund zu tun, mehr als ein teures Gespräch mit einer kaum deutschsprechenden Callcenter Dame wird sich hieraus nicht ergeben.

Was dem Bürger bleibt, ist die Zahlungsverweigerung. Dies muss jedoch, um im Rahmen des rechtlich Möglichen zu bleiben, von einer Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht begleitet werden.

Weitere Informationen:
Aktion: Klagen statt zahlen


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